Wüstentour - Namibia mit Muskelkraft auf zwei Rädern

Auf allen Kontinenten bin ich bis mit meinem Rad schon unterwegs gewesen - bis auf Afrika. Das soll sich mit dieser Reise ändern! Die vielen Bilder von schier endlosen Sanddünen der Namibwüste unmittelbar am Atlantik, einer grandiosen Tierwelt und unvergleichlichen Farb- und Lichtstimmungen im Kopf will ich in sechs Wochen auf meinem Rad mit der Kamera in der Lenkertasche einem Realitätstest unterziehen - wie immer schwer bepackt und ohne konkreten Plan.

Vielen ist die Faszination der Wüste schwer zu vermitteln, wenn sie einen aber erst einmal gepackt hat, möchte man immer mehr davon sehen und erleben. Die Weite und Stille der Wüste muss man selbst erlebt haben und man muss sie auch mögen - und allein auf eigene Faust ist dieses Erlebnis besonders intensiv. Und mehr Bilderbuchwüste als in Namibia geht wohl kaum. Touristisch ist das Land gut erschlossen, sodass es (hoffentlich) immer eine Rückfallebene gibt, wenn es eng wird. Ich freue mich auf die Landschaft, den unbeschreiblichen Sternenhimmel der Südhalbkugel und die nicht planbaren zufälligen Erlebnisse. Gleichzeitig beschleicht mich natürlich gelegentlich ein mulmiges Gefühl, wenn ich an die vielen kleinen und großen Tiere denke, die einem die Nachtruhe rauben und auch am Tag den Adrenalinspiegel unnötig in die Höhe jagen können. Mal sehen was kommt. Ich werde es hier zeigen und erzählen...
Herzlich willkommen auf meiner Tour.

Eigentlich ist ein ganz hässliches Wort, weil es alles was danach kommt ins Gegenteil verkehrt. Eigentlich wollte ich am Montagabend in Hamburg starten und nach ca. 14 Flugstunden in drei ziemlich perfekt getakteten Etappen in Windhoek landen - wäre da nicht diese brennende Fahrzeug in der längsten Baustelle der Republik auf der A7. Irgendwann wird man ganz ruhig, weil ohnehin alles zu spät ist und man keine Chance mehr hat, rechtzeitig am Gate zu erscheinen, und man kann sich im Stau schon man ans Umbuchen auf den kommenden Tag machen. Dann sind die Flüge nicht mehr ganz so gut getaktet und der Zubringer nach Frankfurt kommt von Interrent und nicht von der Lufthansa.
Mit einem Tag Verspätung und ziemlich gerädert komme ich in Windhoek an und miete mich in einem kleine Guesthouse am Rande des Stadtzentrums ein. Noch ein leckeres Filetsteak im Restaurant um die Ecke und sehr früh liege ich im Bett und hole erst einmal viel Schlaf nach.
Das Zentrum der Hauptstadt ist sehr übersichtlich und man kann es sehr gut zu Fuß erkunden. Es gibt sich modern mit gepflegten Shoppingmalls, Banken und Ministerien, gespickt mit vielen Zeugnissen deutscher Kolonialgeschichte.

Eine Kaiser-Wilhelm-Straße habe ich zwar noch nicht entdeckt, würde mich aber nicht überraschen

Nicht nur Straßennamen, sondern auch der Baustil und die Namen der Geschäfte lassen eine fast vergessen, wo man gerade ist

Das Wahrzeichen der Stadt ist die Christuskirche aus dem Jahr 1896 - im Innern habe ich ausschließliche deutsche Texte gefunden...

So allgegenwärtig die Kolonialzeit auch im Stadtbild präsent ist, werden aber auch nicht die Verbrechen dieser Zeit verschwiegen. Teilweise findet sich beides direkt nebeneinander.

Ein Mahnmal zur Befreiung aus den Ketten der Fremdherrschaft mit all ihren Schrecken direkt vor der Alten Feste, die den Angehörigen der Deutschen Schutztruppe Sicherheit bot

Und keine 50m weiter diese Gedenktafel...

Zwischen der Christuskirche und der Alten Feste (rechts im Bild) liegt das Independence Memorial Museum - einschließlich der Statuen und Gemälde im Innern von Nordkoreanern errichtet. Eine gewisse Ähnlichkeit mit einem dortigen Machthaber drängt sich dem Betrachter zuweilen auf

Das Stadtzentrum lässt sich wirklich gut an einem Tag besichtigen und so habe ich meine Packtaschen in hervorragend sortierten Supermärkten aufgefüllt und morgen werden ich mich auf mein Rad schwingen und Richtung Süden fahren und dabei die Hauptstraßen nach Möglichkeit meiden. Mal sehen, wie sich die unbefestigten Nebenstraße so fahren lassen. Auf jeden Fall sind die Entfernungen groß und die Ortschaften spärlich gesät und ziemlich klein. Den Winter hier habe ich unterschätzt. Die Temperaturen sind durchaus vergleichbar mit den zurückliegenden sehr warmen Sommertagen in Norddeutschland - nur mir Regen brauche ich hier wohl nicht zu rechnen.

Ich habe es ja so gewollt, und deswegen gibt es auch nichts zu meckern. Von Windhoek will ich erst einmal in Richtung Süden zum Fishriver Canyon. Aber doch nicht auf der Hauptstraße. Viel zu viel Verkehr. Also nehme ich eine Nebenstrecke, die weiter im Osten liegt. Hat ja auch den Vorteil, das Land ein bisschen kennen zu lernen. Über die Berge aus dem Talkessel von Windhoek raus in Richtung Flughafen und nach 30km rechts abbiegen - alles noch auf tadellosem Asphalt und den Verkehr bin ich jetzt los. Das erste Wild zeigt sich auch schon - allerdings erst einmal nur auf den Warnschildern neben der Straße.

Mit ihren riesigen Hauern sehen sie wirklich furchteinflößend aus - aber vor einem harmlosen Radfahrer rennen sie mit hoch aufgerichtetem Schwanz so schnell es geht weg

Die Landschaft bleibt erst einmal hügelig und dichtes Gebüsch gibt den Tieren gute Gelegenheit, sich vor mir zu verstecken. Die einzigen, die sich neben den Perlhühnerschwärmen reichlich an der Straße zeigen, sind die Paviane, die aber auch sofort Reißaus nehmen, sobald ich mich nähere. Aber wehe, ich trenne die Gruppe, dann ist das Geschrei groß und der Clanchef zeigt schon mal sein mächtiges Gebiss.

 

Nach knapp 100km endet der Asphalt in einem kleinen Dorf. Armselige Tristesse. An der Tankstelle will ich noch meine Vorräte auffüllen und stelle den ersten Platten fest. Na toll! Reifen unter den Augen zahlreicher neugieriger Augen flicken. Wie ich das liebe. Dafür werde ich von einem Mann etwa meines Alters in lupenreinem, akzentfreiem Deutsch angesprochen. Seine Familie lebt in der fünften Generation in Namibia und ihm und seiner Familie gehört nicht nur die Tankstelle, sondern auch drei Farmen in der Umgebung von insgesamt 21.000ha Größe. Und ca. eine halbe Stunde später habe ich ein Zimmer auf der Farm bezogen und sitze auf der Veranda des großzügigen Anwesens. René Krafft - der Besitzer - fliegt erst einmal eine Runde mit seinem Ultraleichtflieger, um nach Wilderern an den Grenzen der Farm Ausschau zu halten, denn diese Farm lebt in erster Linie von Jagdgästen aus aller Welt. Der Unterschied zwischen dem Leben auf der Farm und dem der Schwarzen im Dorf ist gigantisch! Beim gemeinsamen Abendessen und Frühstück entwickeln sich interessante Gespräche über alle möglichen Themen und es ist für mich erstaunlich, wie gut man hier am Ende der Welt über alle Themen informiert ist, die Deutschland betreffen. Mit dem ersten Tageslicht beginnt die Arbeit auf der Farm und nach dem Frühstück verabschiede ich mich und verlasse Ibenstein in Richtung Uhlenhorst.

Die Jagd ist nicht nur den zahlenden Gästen vorbehalten, sondern gehört ganz selbstverständlich zum Farmleben. In der Abenddämmerung schnappt sich der 12jährige Junior ein Gewehr und fährt mit einem der Geländewagen los "Schakale schießen". Beute: eine Art Rebhuhn, das sofort gerupft, ausgenommen und über einem kleine Lagerfeuer gegrillt wird

Schotterpisten sind irgendwie überall auf der Welt gleich. Zustand mal so und mal so. Hier zum Glück (bis jetzt) überwiegend gut, nur machmal macht weicher Sand das Vorankommen schwer. Die Sonne scheint jeden Tag von einem gnadenlos blauen Himmel, aber die Temperaturen um 25 Grad sind ganz gut zu ertragen. Die Landschaft wird immer flacher und weiter und der Bewuchs immer niedriger und spärlicher. Ortschaften gibt es kaum noch, nur vereinzelte Farmen. Vielleicht 10 - 20 Autos begegne ich am Tag, was auch ganz gut so ist, denn sie brettern mit voller Geschindigkeit an mir vorbei und ziehen lange Staubfahnen hinter sich her. Etwa 100km komme ich am Tag voran, was angesichts der Größe des Landes nicht unbedingt viel ist - aber die sehr kurzen Tage und mein momentan nicht gerade optimaler Leistungsstand lassen nicht mehr zu.
Am Abend lande ich wieder auf einer Farm, die Jagdgäste aufnimmt. Und wie ungerecht die Welt doch ist, stelle ich fest, als ich den Erzählungen zweier Amerikaner, Vater und Sohn, die nur zur Jagd hergekommen sind, entnehme, dass sie in den wenigen Tagen, die sie hier sind wahrscheinlich mehr Tiere geschossen als ich gesehen habe. Die Tiere sind auch irgendwie blöd. Warum rennen sie denn ausgerechnet vor mir weg. So bleibt es bisher bei Keilern, zwei Antilopen, einer Gruppe Strauße und den Pavianen. Naja, sind ja noch ein paar Tage übrig...

Ich vergaß: Es gibt hier eine unglaublich reiche Vogelwelt. Und: Singlehaushalte sind out - riesige Mehrfamiliennester liegen voll im Trend. wahrscheinlich hunderte spatzengroßer Vögel bewohnen diese gigantischen Bauten, die schon mal dicke Äste abbrechen lassen. Ach ja - die Landschaft sieht in alle Richtungen in etwa gleich aus und ein Ende ist nicht abzusehen...

Die ersten 300km liegen hinter mir, davon 200 auf Schotter, der es offenkundig in sich hat, denn schon dreimal musste ich flicken - bei EIGENTLICH unplattbaren Reifen! Wenn das so weitergeht, werden die Flicken knapp werden. Die nächste Tage werde ich weiter in Richtung Kalahari fahren, um kurz vor dem Grenzgebiet zu Botswana und Südafrika in Richtung Keetmannshoop abzubiegen. Weitere dreihundert Kilometer Savanne :-)

Auf der C15 und später auf der C17 geht es immer weiter Richtung Süden. Dabei komme ich der Kalahari und damit dem Grenzgebiet zwischen Namibia, Südafrika und Botswana ziemlich nahe, bevor ich bei Tweerivier nach Südwesten abdrehe und Richtung Keetmanshoop weiterfahre. Die Landschaft wird immer flacher und immer karger. Bäume gibt es kaum noch und auch die Sträucher sind meistens nicht einmal so hoch, dass sich die Schafe und Ziegen dahinter verstecken könnten.

Niemand soll sich von dem Grün bei der Farm täuschen lassen. Hier werden ein paar kleine Felder bewässert, um Luzerne als Viehfutter anzubauen. Normalerweise sieht es hier so aus...

Kann man ganz gut mal ein paar Tage haben, wenn man das Fahrrad fahren mal als Meditation betrachtet

Mit meiner Karte muss ich allerdings noch umgehen lernen. Maßstab ist okay und auch die Entfernungsangaben stimmen. Allerdings ist nicht jede Ortschaft, die dort eingezeichnet ist, auch wirklich eine Ortschaft. Manchmal gibt es nicht einmal ein einziges Haus, sondern nur eine Einmündung, was fatal ist, wenn man sich darauf verlässt, dass man in dieser "Ortschaft" seine Wasservorräte mal wieder auffüllen kann. Zwar habe ich immer reichlich Wasser dabei, allerdings kann es eng werden, wenn ich, wie die letzten Nächte, am Fahrbahnrand mein Zelt aufgeschlagen habe und am nächsten Morgen mit den Resten weiter muss. Das ist auch kein großes Problem, weil es immer wieder einmal Farmen am Straßenrand gibt. Als ich vorgestern nur noch eine halbe Flasche Wasser hatte, komme ich an dieser Farmzufahrt vorbei. Im Hintergrund ist das Farmhaus auch zu sehen, bis dahin allerdings weicher, nicht fahrbarer Sand...

Ein kleines Detail sollte man auf diesem Bild nicht übersehen: rechts im Schatten findet sich ein Wasserhahn und spendet,wie bisher alle Wasserleitungen, bestes Trinkwasser - gerettet!

Jaja, Übernachten im Zelt am Straßenrand. Und wie ist das mit den wilden Tieren? Seit fast 700km begleiten mich 20m rechts und links neben der Straße durchgehend Stacheldraht- und Maschendrahtzaun. Wo es die gibt, gibt es wahrscheinlich keine Elefanten oder Nashörner. Und die letzten Löwen in dieser Gegend wurden vor 200 Jahren erlegt. Überhaupt kommt es in dieser sehr spärlichen Natur immer seltener vor, dass ich Wildtiere sehe. Da ist man ja schon froh über ein paar Gazellen.

Feiglinge! So oft habe ich noch gar keine Nudeln mit Tomatensoße gegessen

Auch wenn der Verkehr inzwischen bei bisschen dichter geworden ist, kommt er mit Einbruch der Dunkelheit völlig zum Erliegen und ich habe meine Ruhe und kann den Sonnenuntergang über der weiten Ebene genießen.

Und so müssen Sonnenuntergänge hier wohl aussehen

Und auch der Nachthimmel hat hier so einiges zu bieten. Noch ist der Mond zu hell, bei Neumond ist die Milchstraße noch beeindruckender

Heute bin ich in Keetmanshoop angekommen, mit 22.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Namibias und das Zentrum des Südens. Die letzte Nacht habe ich auf einem "Campingplatz" verbracht, der sich durch meine vorherigen Schlafstellen dadurch unterschied, dass ich umgerechnet 8 Euro bezahlt habe, 30 m weiter vom Fahrbahnrand entfernt geschlafen habe und die Gelegenheit zu einer heißen Dusche mit rostig braunem Wasser hatte :-)
Kurz bevor ich diese Farm erreichte, sah ich den ersten Köcherbaum, habe mein Fahrrad beiseite gelegt und bin erst einmal hingegangen.

Typischer kann ein Baum für Namibia wohl kaum sein als der Köcherbaum - und dann noch in der Abendsonne und in voller Blüte!

Das Menosaurus Rest Camp, wo ich übernachtet habe, hat seinen Namen nach Versteinerungen des gleichnamigen urzeitlichen Reptils, die auf der Farm gefunden wurden. Die will ich mir noch ansehen, bevor ich das kurze Stück nach Keetmanshoop fahre, um mich dort ein wenig auszuruhen. Der Farmbesitzer kommt mit einem Schweizer Paar nach und zeigt die nicht sonderlich beeindurchenden Versteinungen (vielleicht 30 - 40cm lang), die der Farm und dem Campingplatz ihren Namen gaben.

Gleiche Versteinerungen finden sich in Südamerika aus einer Zeit, als die Kontinente noch verbunden waren.

Viel besser als die Versteinerungen ist allerdings der Wald von Köcherbäumen, der sich ringsum befindet

Mehr als 500 Jahre sind einige dieser Überlebenskünstler alt

Und dann waren da doch noch diese gigantischen Vogelnester - ich glaube, dies war bisher das Größte. Und darunter das Grab eines gefallenen deutschen Soldaten aus der Zeit, als Namibia noch Deutsch Südwest hieß

Kleiner Einblick in die Hauseingänge

Von hier geht es jetzt weiter Richtung Süden zum Fishriver Canyon und dann entlang der Grenze zu Südafrika, um bei Lüderitz den Atlantik zu erreichen. Ich werde berichten.

In Keetmanshoop hatte ich zuletzt von mir hören bzw. lesen lassen. Dazwischen liegen einige hundert Kilometer Schotter und auch Asphalt und inzwischen sitze ich in Lüderitz auf dem Campingplatz direkt am Atlantik. Aber der Reihe nach. Zu Keetmanshoop sind noch zwei Dinge zu erwähnen: Wenn es einen von euch einmal dorthin verschlagen sollte, folgt den Schildern zum Gesserts Guesthouse. Nicht nur das man dort unglaublich nett aufgenommen und umsorgt wird und ein sehr schönes Zimmer bekommt, das Frühstück ist eine Sensation - und wenn ich als dauerhungriger Radfahrer das sage...
Dazu passend der Tipp der Inhaberin auf die Frage nach einem Restaurant. Die Wahl fällt auf das "Schützenhaus" - ein Vereinsheim und Lokal, als wäre dort die Zeit vor mindestens 50 Jahren stehen geblieben. Unter anderem mit deutschen Kriegskarten aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts an den Wänden. Auch hier ein hervorragendes Essen mit Portionen zum Sattwerden :-) (deutsche Speisekarte). Der Bring- und Holservice der Gastgeberin war auch noch inklusive!
Von Keetmanshoop geht es weiter Richtung Süden zum Fishriver-Canyon und zum Oranje River, dem Grenzfluss zu Südafrika. Kurz nach Verlassen der Stadt komme ich an einem riesigen Fabrikarreal vorbei. Ein Schild an der Straße weist es als Straußenzucht aus. Erinnerungen an Iran werden wach und bei der Größe des Unternehmens befürchte ich einen Sechserpack Eier und fahre schnell vorbei, was auch gut so ist, denn wie ich später erfahre, handelt es sich nicht mehr um eine Straußenfarm sondern nur noch um einen ganz normalen Schlachthof. Vorbei am wenig beeindruckenden Naute-Damm, der Keetmanshoop mit Wasser versorgt, komme ich auf eine sehr lange und einsame Strecke in Richtung Fishriver. Was mir bisher nicht passiert ist, kommt hier immer wieder vor, nämlich dass vorbeifahrende Fahrzeuge anhalten und die Insassen fragen, ob alles in Ordnung ist und ich auch genug Wasser dabei habe. Alles gut und ich komme bei gutem Wind und guter Schotterpiste schnell voran, sodass ich wider Erwarten nach 140km im Roadhouse ankomme und dort auf dem riesigen Campingplatz mit nur 11 Stellplätzen den allerletzten für mich bekomme.

Wo soll man hier denn wohl bitte sein Zelt aufstellen?

Am nächsten Morgen stehen die letzten Kilometer zum zweitgrößten Canyon der Welt (nach dem Grand Canyon) auf dem Programm. Inzwischen sind die Zäune links und rechts der Straße verschwunden und es kommt immer wieder einmal zu Begegnungen mit Wildtieren. Meistens Springböcke. Aber auch an die zahlreichen Oryx-Antilopen habe ich mich inzwischen gewöhnt und daran, dass sie sofort weglaufen, wenn sie mich sehen. Nur diese nicht!

Geduldig bleibt sie stehen, auch als ich ihr ein Stück entgegen gehe

Muss sich bei ihren Kumpels rumgesprochen haben, dass der Radler gar nicht böse ist

Ist aber offenbar noch nicht bei allen angekommen

Dreizehn Kilometer Sackgasse zum Fishriver Canyon. Nach drei Kilometern kommt der Eingang zum Nationalpark. Registrierung, Eintritt, Ermahnung, nicht in den Canyon hinabzusteigen - und mein Gepäck im Büro lassen. Muss ja nicht sein, den ganzen Ballast 20km hin und her zu fahren.

Wer zum Canyon will, muss auch ja zu dieser Strecke sagen

Ist schon ziemlich beeindruckend, dieser Graben. Nur der Fluss sieht so aus wie aneinander gereihte Pfützen

Okay, mit dem Fahrrad ist hier jetzt Ende. Für die 80km zu Fuß im Canyon bis Ai-Ais werden 4 - 5 Tage Wanderung veranschlagt - oder wie an diesem Wochenende als Ultramarathon in neuer Rekordzeit von weniger als 6 Stunden!

Ich höre ja schon auf mit Canyon-Bildern...

Den Abstecher nach Ai-Ais hätte ich mir auch gern sparen können. Ein riesiger Campingplatz, Lodges mit allem Drum und Dran. Und dazu noch an diesem Wochenende der Extremmarathon. Da lockt auch nicht die heiße Quelle zu einem Bad. Nur noch Essen und dann ab in den Schlafsack, wobei ich die Ruhe des Straßenrandes auf diesem Rummelplatz vermisse. Die Ruhe kommt aber auf den folgenden Etappen in Richtung Oranje River. Das erste Mal auf dieser Tour so richtig in der Wüste!

Nichts, was dem Auge einen Fixpunkt gibt

Mag nicht jeder...

...und kann auch nicht jeder ab!

Ich steuere so langsam dem südlichsten Punkt meiner Reise entgegen, dem Oranje River, dem ich ca. 80km Richtung Mündung folgen werde, um dann wieder nordwärts zu fahren. Durch die Berge geht es von dem Hochplateau kommend zügig abwärts und dann ist da mitten in der trockenen Landschaft der einzige Fluss weit und breit, der ganzjährig Wasser führt. Auf der anderen Seite liegt Südafrika.

Ein Angler mitten in der Wüste

Mal wieder tierische Wegelagerei an dem "Flußradwanderweg Oranje River"

Fast auf Meeresniveau angekommen, heißt es jetzt erst einmal wieder Höhe gewinnen. Die 400 Höhenmeter in das Bergwerksdorf Rosh Pinah sind erst der Anfang. Nach einer Nacht in einer Pension, wo ich mich und meine Sachen erst einmal wieder auf Vordermann gebracht und meine Vorräte ergänzt habe, folgen 166km und ca. 1000 Höhenmeter nach Aus - mit so gar nichts dazwischen. Immerhin auf gutem Asphalt. Das ist bei Gegenwind an einem Tag nicht zu schaffen und so bleibt wieder einmal nur der Straßenrand als Campingplatz.

Auch hier sind Überlebenskünstler gefragt

Ich bewege mich jetzt am Rande der Namib-Wüste. Aus ist da der letzte Ort, bevor ich nach links abbiege und durch die Wüste zum Atlantik fahre. In dem kleinen Kaff komme ich um die Mittagszeit an und bin erst einmal erschlagen von den vielen Touristen, die sich hier zusammenfinden. Viele Paare, die mit Geländewagen auf eigene Faust reisen, aber auch ein ganzer Reisebus Ü75 - und alle treffen sich im Bahnhofshotel Aus!

Der Diamant zeigt es. Ab hier kommt man ins Diamantensperrgebiet und darf die Straße nicht verlassen

Und was gibt es hier leckeres Landestypisches bei gut 25 Grad im Schatten? Da nehme ich doch lieber die traditionelle namibische Pizza :-)

123km Wüste liegen vor mir und es ist 14.00 Uhr. Zu früh, um den Tag zu beenden, zu spät, um es noch bis nach Lüderitz zu schaffen. Es wird also wieder eine Nacht in der Wüste werden. Mit genug Wasser auf dem Rad kein Problem -außerdem starte ich jetzt in einer Höhe von 1500m und werde auf Meeresniveau ankommen. Problem: Es ist eine Sackgasse und ich muss denselben Weg auch wieder zurück - der Tag die Sorge.

Nach gut 20km begegnen mir die berühmten Namib-Wildpferde, die hier irgendwann einmal frei gelassen wurden und sich den extremen Bedingungen angepasst haben

Von wegen Wildpferde - die einzigen wilden Tiere, die nicht sofort vor mir ausreißen

Nicht die Kamera! Steichelzoo Namib-Wüste...

Parallel zur Straße führt eine Eisenbahnstrecke nach Lüderitz - nur dieser Bahnhof im Nichts wird schon lange nicht mehr gebraucht

Nach der Hälfte der Strecke geht die Sonne unter und ich suche mir ein Nachtlager - keine Chance, hier irgendwo eine Stelle mit Sichtschutz zu finden. Hier gibt es nichts. Also trage ich alle Sachen über den Bahndamm und schlage mein Zelt so auf, dass es zumindest von der Straße nicht auf den ersten Blick zu sehen ist.

Heute bin ich nun endgültig in der Sandwüste der Namib angekommen. Zahlreiche Schilder warnen vor Sand und Wind...

Es fährt ein Zug nach nirgendwo... Und ich hatte noch Bedenken wegen des Zugverkehrs, als ich mein Nachtlager am Bahndamm aufschlug

Räumdienst auf namibisch

Das musste jetzt sein vor der ersten richtigen Sanddüne

Erstaunlich, was hier so im Sand gedeiht - scheint aber nicht zu schmecken, sonst wäre sie schon lange weg

Hier an dieser Bahnstrecke fand ein deutscher Bahnbediensteter die ersten Diamanten in der Namib und löste damit einen Rausch aus. 10km von der Küste entfernt entstand die kleine, aber sehr reiche Ortschaft Kolmanskuppe, den man heute als Geisterstadt besichtigen kann.

Eine deutsche Siedlung mit allem Komfort mitten im Nichts

Hier muss dringend mal jemand ausfegen und Staub wischen

Das wird nix mehr...

Enspannt nach einer kurzen Tagesetappe erreiche ich Lüderitz und quartiere mich hier auf dem Campingplatz am Ende einer kleinen Halbinsel am Hafen ein. Ein kleines Stück Rasen bietet dabei einen ungewohnten Komfort. Vor 14 Tagen bin ich in Windhoek aufgebrochen und bin seitdem jeden Tag durchschnittlich 100km gefahren, ohne einen einzigen Ruhetag. Den werde ich hier jetzt einlegen und die Beine ein bisschen baumeln lassen. Der Rückweg nach Aus wird schwer genug - und dann geht es weiter am Rand der Namib nach Norden.

Direkt unterhalb des Leuchtturms von Lüderitz habe ich meine Quartier für zwei Nächte aufgeschlagen

Und übrigens, liebe Sylter und liebe Amrumer: Sanddünen am Strand können die hier besser :-)

Und auch das muss jetzt noch sein: Blick von meinem Zelt auf den Atlantik

Der Ruhetag in Lüderitz war mehr als überfällig. Gelegenheit also sich ein bisschen mit deutscher Kolonialgeschichte zu befassen. Schon der Name der Stadt lässt ja nicht gerade auf einen afrikanischen Namensgeber schließen. Der Bremer Kaufmann Lüderitz kaufte hier in der Hoffnung, Bodenschätze zu finden, riesige Landstriche und gründete die Stadt, die nach seinem Tod, als Diamanten gefunden wurden, aufblühte und Anfang des 20. Jahrhunderts sehr schnell aufgebaut wurde. Der Boom ebbte ab, die typisch deutsche Bausubstanz blieb erhalten und prägt bis heute das Stadtbild.

Nach dem Ruhetag folgt der lange Rückweg aus der 125km langen Sackgasse. 1500 Höhenmeter sind zu überwinden und so hilfreich der Wind bei der Tour nach Lüderitz war, so unangenehm erwarte ich ihn für die Gegenrichtung. Falsch gedacht. Nach ein kurzen Gegenwindstrecke dreht der Wind, und ich kann es kaum fassen, dass er mich zügig den Berg hochschiebt. Schnell wird der Plan über den Haufen geworfen, die Strecke nach Aus in zwei Etappen zu fahren. Ich versuche, es an einem Tag zu schaffen. Ist bei der permanenten Steigung schon schwer genug. Wo ich zwei Tage vorher geradezu Lüderitz entgegenflog, treffe ich den ersten anderen Radreisenden der Tour, der sich gegen den Wind bergab quält. Ein Südafrikaner, der auf Rundreise durch das südliche Afrika ist. Seine erste Tour. Man sieht es an seiner unglauglich umfangreichen Ausrüstung.

Auf alles vorbereitet - inklusive 15 Liter Wasser am Rad und auf dem Rücken

Man kann sich ja trefflich darüber auseinandersetzen, welches Equipment nützlich ist und welches man besser zu Hause lassen sollte. Als er mir aber erzählt, dass ihm ein neues MacBook vor der Reise zu teuer war und er deswegen seinen Desktoprechner auf dem Trailer verstaut hat, kann ich nicht anders, als laut aufzulachen. Er ist allerdings auch der Meinung, das der doch ein bisschen schwer ist...
Die letzten 20 km haben es noch einmal richtig in sich und bei Dunkelheit erreiche ich eine Lodge kurz vor Aus. Der Campingplatz ausgebucht! Weiterfahren ist heute nicht mehr drin, zumal ich auch nicht weiß, ob ich in Aus eine Unterkunft finde und so miete ich mich - trotz Radlerrabatt - reichlich teuer in ein Gästehaus ein. Auch das Essen gehört zu den Teuersten der Reise - aber immerhin zum Sattwerden. Und das gelingt bei einem Radreisenden auch nicht immer.
Ich verlasse den Asphalt nach knapp 500km wieder und Schotter und Staub haben mich wieder. Ich fahre parallel zur Namibwüste und entsprechend karg ist die Landschaft. Auf einer "kleinen" Farm mit Campingplatz, wo ich ein leichtes Mittagessen und einen Plattfuß bekomme (diese kleinen fiesen Dornen gehen durch jeden Reifen), erfahre ich, dass man hier ca. 50ha Weideland benötigt, um ein Rind satt zu bekommen. Bei der durchschnittlichen Größe deutscher Bauernhöfe hieße das ca. 4 - 5 Rinder...
Zum Ausgleich für die Luxusunterkunft folgen Übernachtungen am Straßenrand zum Nulltarif oder als Exklusivgast auf einer kleine Guestfarm. Hier muss ich allerdings erstmal Feuer im Ofen machen, um eine warme Dusche zu bekommen.

Die sanitären Einrichtungen eines ganzen Campingplatzes - für einen Camper soll es wohl reichen. Feuerholz für die heiße Dusche ist im Preis von 5 Euro pro Nacht inbegriffen

Mein nächstes Ziel und gleichzeitig einer der Höhepunkte der Reise ist der Sossusvlei. Hier kommen die typischen Namibiabilder mit den riesigen roten Sanddünen her. Allerdings trennen mich von diesem touristischen Hotspot nach mehr als 200km und bei den Straßenverhältnissen hier heißt das zwei bis drei Tagesetappen. Die Piste ist eine Katastrophe. Grober Schotter und Wellblechprofil lasse ich mir ja noch gefallen. Wenn dazu noch Steigungen, Gegenwind und lange, tiefe Sandpassagen kommen, die nicht mehr fahrbar sind, ist der Spaß endgültig vorbei. Vor anderthalb Tagen hatte ich noch ein Angebot eines holländischen Paares abgelehnt, das mich zum Sossusvlei mitnehmen wollte. Jetzt bin ich froh, dass ein riesiger Van anhält und der Fahrer mir anbietet, mich mitzunehmen. Wie das? Im Wagen sind schon fünf Personen und auf und am Fahrzeug vier Mountainbikes. Kein Problem für Andrew aus Durban, Sportsmann durch und durch. Irgendwie wird es schon gehen. Und es geht...

Man man will, geht vieles - auch das vierte Fahrrad auf den Heckträger

So komme ich sehr komfortabel zum Campingplatz am Eingang zum Sossusvlei. In diesem Wagen merkt man auch bei 100km/h nichts von der üblen Piste. Allerdings fliegt die Landschaft auch nur so vorbei und man hat keine Zeit zum Genießen - wobei der Genuss auf dieser Strecke mit dem Rad auch sehr eingeschränkt wäre. Und die zahlreichen Oryxantilopen lassen sich direkt am Fahrbahnrand auch nicht stören.
Das Sossusvlei ist eine 65 km lange Sackgasse. 60km Asphalt, 5km richtig tiefer Sand, in dem auch viele Allradfahrzeuge stecken bleiben. Dazu kommt, dass das Licht auf den Dünen bei Sonnenaufgang am besten ist. Übernachten in der Wüste ist nicht erlaubt. Deswegen organisiere ich mir eine Transportmöglichkeit mit den Fahrern, die vom Ende der Teerpiste Besucher bis zur Düne bringen. Abfahrt morgens um 05.00 Uhr, die berühmte Düne 45 lassen wir in der Dunkelheit links liegen und vor Sonnenaufgang stehe ich mit andere Touristen mitten in dem Dünenmeer. Und das frühe Aufstehen hat sich gelohnt! Dem Herdentrieb widerstehend mache ich mich nicht mit den anderen auf den Weg zu den riesigen Dünen (Big Daddy) oder ins Dead Vlei, sondern stapfe im tiefen weichen Sand allein etwas abseits auf eine kleine Düne. Keine schlechte Wahl! Seht selbst...

Gegen Mittag ist das Licht zum Fotografieren nicht mehr besonders und ich mache mich auf den Rückweg. Einer der Fahrer wollte mich wieder mit zum Eingang nehmen. Bei den Fahrzeugen treffe ich aber wieder Andrew mit Familie und ein zweites Mal mache ich es mir in ihrem Auto bequem - toll, diese selbstverständliche Hilfsbereitschaft.
Heute lohnt es sich nicht mehr, noch auf die Piste zu gehen, deswegen bleibe ich noch eine zweite Nacht auf diesem nicht gerade ansprechenden Campingplatz der Nationalparkverwaltung und nutze den Nachmittag zu einem kleinen Abstecher zum nahen Sesriem-Canyon, eine kleine Schlucht, an deren Grund auch jetzt in der Trockenzeit noch ein Rest Wasser in der Wüste zu finden ist.

Der Weg in die Schlucht

Ganz am Ende ist eine kleine Pfütze schmutziges Wasser

So, Sand habe ich jetzt genug gehabt, es ist also nicht nötig, dass er sich mir noch einmal auf der Piste in den Weg legt. Es soll reichen, wenn mich die vielen Autos, die hier zusammenkommen, in eine dichte Staubwolke hüllen werden. Meine nächsten Stationen sind Walis Bay und Swakopmund, wieder an die Küste und dazu natürlich noch einmal durch die Namib - ich werde weiter berichten,

Absolut perfekt wäre es natürlich gewesen, diese beiden Kameraden auf den Dünen zu begegnen. Spuren waren ja genug da. Sie zogen allerdings den Sesriem Canyon vor

Ich behaupte ja immer, das Reisen mit dem Fahrrad ist Reisen mit allen Sinnen. Hier in Namibia ist es wohl in erster Linie der Geschmackssinn, der so richtig auf seine Kosten kommt - der Geschmack des Staubs der Schotterpisten :-(
Seit ich Sossusvlei verlassen habe, bin ich ca. 730km gefahren und mehr als 650 davon auf Schotter, wobei ich reichlich Staub der Fahrzeuge weggeatmet habe. Grundsätzlich ist hier ja Linksverkehr. Mit dem Rad gibt es da allerdings andere Kriterien, die wichtiger sind als die Vorschriftenlage: Zustand der Straße und Windrichtung. Bloß nicht auf der windabgewandten Seite fahren!

Sossusvlei am frühen Morgen - Windstille und alle machen sich auf den Weg. Die ganze Landschaft ist eine dichte Staubwolke gehüllt

Von Sossusvlei bin ich wieder zurück an die Atlantikküste nach Walvis Bay gefahren. 330km, drei Tage, die unterschiedlicher nicht sein können. Der erste Tag ist Quälerei. Nach 84km erreiche ich vom Gegenwind, den Bergen und der schlechten Piste völlig ausgepumpt am Abend die einzige Versorgungsstation auf der gesamten Strecke: Solitaire (keine Ahnung, ob hier das beliebte Computerspiel erfunden wurde). Tankstelle, Campingplatz, Hotel, Restaurant, kleiner Laden und das Beste: eine sensationelle Bäckerei mit dem angeblich besten Apfelkuchen Namibias. Das Gegenteil wurde mir noch nirgends bestätigt! Mit einer Falschinformation starte ich hier in den zweiten Tag. Meine Frage, ob ich bei den beiden Campingpätzen an der Strecke Wasser bekomme, wird bejaht und so lade ich mir die üblichen sechs Litern Wasser auf das Rad - reichlich für einen Tag, zu wenig für zwei mit Übernachtung. Es geht gut voran, die Landschaft ist abwechslungsreich und mit einem zarten Grünschleier überzogen, weil es hier in der Gegend vor kurzem ein wenig geregnet hat, und der Verkehr hält sich auch in Grenzen.

Solitaire: Eine kleine Oase mitten im Nichts - mit dem besten, frisch gebackenen Apfelkuchen Namibias

Mittagsrast in einem Canyon mitten in der Wüste - klar führt auch dieser Fluss keinen Tropfen Wasser

Immer wieder andere Landschaftsformen sorgen für Abwechslung

Ein bisschen Regen sorgt für viele Blüten und ein zartes Grün in der Wüste. Allerdings wurde ich vor diesen Blumen gewarnt, weil sie für die fiesen Dornen verantwortlich sind, die Fahrradreifen perforieren

Irgendwann werde ich aber doch unruhig, weil keiner der auf meiner Karte eingezeichneten Campingplätze auftaucht. Grundsätzlich kein Problem, hätte ich denn genug Wasser dabei. Jetzt bin ich auf die Hilfe der Autofahrer angewiesen und winke vorbeifahrenden Reisenden mit der leeren Wasserflasche. Klappt auf Anhieb! Der erste Wagen - Südafrikaner mit drei Mountainbikes an Bord - halten an und versorgen mich mich zwei Litern Wasser. Das reicht erst einmal. Wenige Kilometer weiter kommt dann auch einer der Campingplätze. Wasser? Fehlanzeige! Mehr als ein Plumpsklo und ein paar Sitzgelegenheiten ist an Infrastruktur nicht vorhanden. Vor mir liegen noch 140km bis Walvis Bay. Eine sehr lange Etappe und ich stelle mich auf einen harten Tag ein. Den letzten Hügel hatte ich aber nichts ahnend schon hinter mir. Von hier geht es kontinuierlich bis zum Ozean bergab und ein heißer Wind aus dem Binnenland schiebt mich vor sich her. Um 12.00 Uhr habe ich die ersten 100 km hinter mir! Aber von einer auf die andere Minute dreht sich jetzt der Wind und weht mir für den Rest der Strecke ins Gesicht. Dabei fällt die Temperatur von 38 auf 24 Grad. Noch einmal muss die Wasserflasche als Winker herhalten - klappt wieder auf Anhieb - und nach nur sieben Stunden erreiche ich die ersten Vorboten der größten Hafenstadt Namibias.

Abwechslungsreich war gestern - heute fliege ich mit teilweise mehr als 40km/h durch die Wüste

Sieben Kilometer vor der Walvis Bay fängt der Dünengürtel am Atlantik an. Und mitten drin Salzwasserlagunen voller Flamingos. Ich bin im Dorob Nationalpark angekommen, der hier in der Gegend ein wahres Vogelparadies ist.

Über Walvis Bay gibt es nicht so viel zu berichten. Eine Hafenstadt ohne ein richtiges Gesicht. Zwar eine ganz schöne Promenade mit vielen modernen Villen, aber nichts Prägendes. Erstmal eine riesige Pizza, dann eine Unterkunft suchen und erholen. Für den nächsten Tag steht nur die gut 30km lange Strecke nach Swakopmund an. Also alles ganz entspannt.

Direkt vor der Promenade suchen zahlreiche Flamingos bei Ebbe im flachen Wasser nach Nahrung

Es gibt hier übrigens auch Möwen...

Einer muss hier am "Flamingo View Point" ja den Überblick behalten

In riesigen Salinen wird hier in der Gegend Salz aus dem Meer gewonnen, das z. T. auch im Straßenbau verwendet wird. Die so gebundenen Oberflächen sind meistens besser als Asphalt

Der Weg nach Swakopmund ist die wohl gefährlichste Tour gewesen, die ich auf dieser Reise gefahren bin. Nur gute 30km, aber dichter Verkehr und anscheinend nur Mörder am Steuer. Wegen eines Radfahrers mal den Fuß vom Gas nehmen oder etwas mehr Seitenabstand halten, ist für die meisten offenbar unvorstellbar. Dabei ist die Strecke eigentlich ganz schön. Links die Brandung des Atlantiks, rechts die bis zu 80m hohen Sanddünen. Ich bin froh, die Brücke über den seit Jahren ausgetrockneten Swakop River erreicht zu haben und miete mich auf einem kleinen Campingplatz und B&B am Ortseingang ein.

Sollen wir wirklich schwimmen gehen? Das Wasser ist saukalt!

Die Dünen der Umgebung werden, obwohl Nationalpark, für alle möglichen Aktivitäten benutzt: Allradfahrten, Quads, Sandboarden, Fatbike usw. Danach steht mir nicht der Sinn. Vielmehr buche ich eine Tour bei "Living Desert Adventures". Mit einem Landrover geht es in einer kleinen Gruppe in die Dünen am Stadtrand und zwei kundige Führer zeigen uns, was man selbst nie gefunden hätte. Man sieht eben nur das, was man kennt. 300 Tage Nebel im Jahr sind die Grundlage für das Leben in der Wüste, denn geregnet hat es hier seit sechs Jahren nicht mehr. Der erste Kandidat, der aus seinem 40cm tiefen Versteck im Sand hervorgeholt wird, ist eine kleine, giftige Spinne.

Wenn man genau hinsieht, kann man fast den Eindruck bekommen, dass sie lächelt

Die ca. 12cm lange Blindschleiche verrät ihren Weg unter der Dünenoberfläche durch Muster im weichen Sand

Mit viel Begeisterung gehen die beiden Guides den feinen Spuren im Sand nach und graben die versteckten Wüstenbewohner aus

Dieser kleine Gecko ist allerdings der Star der ganzen Tour!

Schau mir in die Augen, Kleines

Nicht ganz so niedlich, nicht ganz so harmlos: Die Puffotter ist nur 30cm lang, aber ziemlich giftig

Nicht besser ist die Sandviper, die auch unter dem Sand versteckt auf ihre Beute wartet

So richtig will die abschließende Tour mit dem Geländewagen durch die Dünen nicht mit dem Engagement der Führer für den Erhalt der Wüste zusammenpassen

Swakopmund ist mehr noch als Lüderitz durch die deutsche Kolonialmacht geprägt. Überall noch deutsche Namen an den Geschäften, Häuser unverändert aus der Kolonialzeit, ein Marinedenkmal zu Ehren gefallener Marinesoldaten der Schutztruppe während des Hereroaufstandes und so weiter. Erstaunlich, dass sich dieser Teil der Geschichte, in der die Deutschen keine rühmliche Rolle gespielt haben, so erhält.

Auch der Leuchtturm wurde von Deutschen gebaut und würde auch einem Badeort an Nord- oder Ostsee gut als Wahrzeichen zu Gesicht stehen

Auf dem Campingplatz fällt ein Fahrzeug besonders ins Auge: Ein ca. 40 Jahre alter Bedford-LKW mit isländischem Kennzeichen und einem sehr eigenwilligen Aufbau. Eigenwillig heißt, auf die Ladefläche wurde aus Sperrholz eine Kabine bebaut und zwei Sitzbänke in Längsrichtung und damit sind 15 junge Leute und zwei Fahrer auf Tour einmal ganz durch Afrika. Aussage einer der Isländerinnen: Bei einer Polizeikonkontrolle in Island sagten die Polizisten, dies wäre das unvorschriftsmäßigste Fahrzeug, das sie je gesehen hätten. Weiterfahren lassen haben sie es trotzdem. Allerdings haben sie sich nicht getraut, mit der Gruppe auf der Ladefläche durch Europa zu fahren, sondern haben sich erst in Südspanien getroffen. Unglaublich. Abends wurde natürlich Fußball geguckt: Island gegen Frankreich.

Die Aufkleber auf dem Truck "Vikings across Africa" waren wahrscheinlich die größte Investition

Genug des Nebels, der Kälte und der Nässe. Ich verlasse Swakopmund mit Ziel Etosha Nationalpark. Wieder eine lange Tour, noch einmal durch die Namibwüste, die immer ein anderes Gesicht zeigt. Weniger als hier geht aber nun wirklich nicht mehr...

100km geradeaus durch eine vegetationslose Ebene

Nach einer Nacht in dieser Weite erreiche ich am nächsten Tag um die Mittagszeit Uis. Irgendwie bin ich hier in einer anderen Welt angekommen. Eben noch das gepflegte Swakopmund mit dem Flair eines deutschen Nordseebades, gern als Ferienort und Alterruhesitz genutzt, jetzt Afrika. Keine schmucken Gebäude, sondern Wellblechhütten. Menschen, die am Straßenrand Kunsthandwerk und Steine an vorbeifahrende Touristen verkaufen wollen. Den Trick mit der Wasserflasche kennen sie hier auch schon. Kaum nähert sich ein Fahrzeug - auch ein Fahrrad - laufen ca. 3jährige Kinder in Richtung Straße und schwenken die leere Wasserflasche, um Vorbeifahrende zum Anhalten zu animieren. Die andere Methode sind barbusige Frauen an den Verkaufsständen - eben mal so richtig Afrika - das ist doch was für's Fotoalbum. Auch eine Form der Prostitution. Beides kann mich nicht dazu bringen, an einem der Stände stehen zu bleiben. Nach "Geschäftsschluss" fährt dann eine der leichtbekleideten Frauen auf der Ladefläche eines Pickup nach Hause - das wäre das Foto gewesen! Und dann kommt's:

Damit hatte ich hier am Rande der Wüste bei der spärlichen Vegetation nun wirklich nicht gerechnet

Naja, wie das nun mal so mit diesen Schildern ist. Wird wohl nicht so ernst gemeint sein. Völlig unerwartet erreiche ich zur richtigen Zeit einen kleinen, sehr eigenwilligen Campingplatz, auf dem ich wieder einmal der einzige Gast in dieser Nacht bin. Kein heißes Wasser für die Dusche, dafür aber auch kein Licht. Immerhin bekomme ich im "Restaurant" ein ganz passables Abendessen. Die beiden Damen des Hauses vom Stamm der Herero leisten mir beim Essen Gesellschaft und erklären mir dabei unter anderem, was für ein Glück ich doch habe, es ist gerade eine Herde von 20 - 30 Elefanten in der Gegend, ca. 6km weiter am Fluss. Na, das wird ja denn doch noch spannend

Ein Campingplatz der besonderen Art, allerdings sehr schön zwischen den Felsen gelegen - elefantensicher...

Am nächsten Morgen kreist der Kopf mehr als sonst, um Auffälligkeiten - sprich: Elefanten - auszumachen. Aber nichts. Auch nicht am ausgetrockneten Flussbett. Aber immer wieder zerfetzte Bäume, frische und auch ältere Beschädigungen. Spuren von Elefanten auf Nahrungssuche. Und 30km weiter dann das...

Ach, du dicke Kacke! Das sieht noch ziemlich frisch aus und auch die Fußabdruckspuren am Straßenrand. Macht keinen Scheiß, Jungs! Ich habe so keine Lust auf ein Elefantenrennen...

Die Warnhinweise wiederholen sich, die Elefanten bleiben aus. Ich glaube allerdings nicht, dass sie, wie alle anderen Tiere bisher, vor einem Radfahrer weglaufen würden. Mir fehlen da die Erfahrungswerte, wie Elefanten auf Radfahrer im roten Trikot reagieren.
Inzwischen bin ich Khorixas angekommen. Noch zwei lange Etappen bis zum Etosha Nationalpark und es stellt sich jetzt ein ganz neues Problem. Mit dem Rad komme ich nicht in den Park. Ist wohl auch besser so. Allerdings ist jetzt Hochsaison und meine Versuche, eine Unterkunft im oder am Rande des Parks - einschließlich Campingplätzen - zu finden, waren bisher erfolglos. Mal sehen wie es wird.

Immerhin haben die anderen Sinne jetzt eine bessere Chance, auch zu ihrem Recht zu kommen. Kurz vor Khorixas habe ich den Asphalt erreicht und werde ihn vermutlich auf den noch ausstehenden 700km bis Windhoek auch nicht wieder verlassen. Schluss mit Staub schlucken, Schluss mit zickzack über die Schotterpisten fahren. Was besser ist, darüber werde ich berichten.